Nachruf für Benedikt XVI

von Pfr. Wolfgang Acht

(c) CC0 1.0 - Public Domain (von unsplash.com)
Datum:
Sa. 31. Dez. 2022
Von:
Jürgen Lenzen

Es macht betroffen, vom Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu hören. Denn da ist ein Mensch gestorben, der ein Stück Theologie- und Kirchengeschichte geschrieben hat.

Geboren wurde Joseph Aloisius Ratzinger im Jahr 1927, hat also das gesegnete Alter von 95 Jahren erreicht. Er wuchs mit zwei Geschwistern auf, seiner Schwester Maria, die ihm nach dem Tod der Mutter den Haushalt führte und seinem Bruder Georg Ratzinger, der viele Jahre die Regensburger-Domspatzen leitete. Wie gerne hätte Kardinal Ratzinger seine letzte Lebensphase wieder in Regensburg verbracht, um seiner Leidenschaft für wissenschaftliches Arbeiten als Dogmatiker fortsetzen zu können. Doch sein Vorgänger Papst Johannes Paul II. wollte ihn in Rom als Leiter der Glaubenskongregation halten. Das Amt hatte er 23 Jahre bis zur seiner Wahl zum Papst inne.


Nach seinen Studien in München wurde er von Kardinal Faulhaber mit 2 4Jahren 1951 zum Priester geweiht, und trat für kurze Zeit die Stelle eines Kaplans an. Bald schon berief ihn der Bischof zum Dozenten für das Priesterseminar in Freising. Dort arbeitete er an seiner theologischen Promotion über den Kirchenvater Augustinus, die er 1953 abschloss. Die weiterführende Habilitationsschrift verfasste er über den großen Franiskaner-Theologen Bonaventura an.

Als Dogmatiker wurde sein Name bald in weiten Kreisen bekannt. Er lehrte an den Universitäten in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.

Die wichtige Aufgabe als Berater und Redenschreiber wurde ihm von Kardinal Frings aus Köln übertragen. Dieser bat ihn, ihn beim Zweitem Vatikanischen Konzil (1963 – 65) zu begleiten. Er wurde bald von Papst Paul VI. auch zum offiziellen Konzilsberater ernannt und erarbeitete wichtige Dokumente mit, wie z. B. die Konstitution „Dei Verbum“ (Über die göttliche Offenbarung).

Man stellt ihn zu Recht in die Reihe großer und reformwilliger Theologen, wie Rahner, de Lubac oder Küng, die alle das Konzil mitprägten. Mit den späteren Bischöfen Kasper und Lehmann erstellte er ein Memorandum (1970), das dazu aufforderte, die Zölibats-Verpflichtung für die Kleriker grundsätzlich zu überprüfen. Als Präfekt der Glaubenskongregation lehnte er das später ab.

1977 berief ihn Papst Paul VI. zum Erzbischof von München-Freising. Papst Johannes-Paul II. berief 1982 den inzwischen zum Kardinal Ernannten nach Rom, weil er für das Amt des Glaubenshüters einen guten Theologen brauchte. Dort bewegte ihn von Anfang an, die Botschaft des Christentums vor Beliebigkeit und Gefährdung des Glaubens zu bewahren. Dazu hatte er schon als Professor ein lesenswertes Buch herausgegeben: „Einführung ins Christentum“. Er gilt auch als Verfasser des „Katholischen Katechismus“, in dem alle wichtigsten Aussagen zum Christentum zusammenfassend vereint sind.

Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. 2005 überraschte es wenig, dass er zu dessen Nachfolger gewählt wurde. Er gab sich den Namen Benedikt XVI. Für viele der im Konklave anwesenden Kardinäle war er ein Garant für die Kontinuität der kirchlichen Verkündigung.

 

In seine Amtszeit fallen einige belastende Vorgänge. Da ist das Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs von Klerikern, wo man von ihm mehr Klarheit in der Aufarbeitung erwartet hätte. Zu nennen ist auch die Rücknahme der Exkommunikation von Bischöfen der „Piusbruderschaft“, die das Konzil nicht anerkennen. Zu ihnen gehörte auch ein Bischof, der als Holocaust-Verleugner bekannt wurde. Dennoch hat er einiges auf den Weg gebracht, um den erlittenen Vertrauensbruch gegenüber der Kirche aufzufangen. Auch Ansätze zu einer Kurienreform sind in Gang gekommen, wie z.B. die Aufarbeitung des Finanzskandals.

Nicht zu vergessen sind seine Lehrschreiben zur Liebe, zur Hoffnung und zum Glauben. Das letzte blieb unvollendet und wurde von seinem Nachfolger Papst Franziskus weitergeführt und vollendet. Sein Interesse galt einer würdig gefeierten Liturgie. Seiner Leidenschaft als lehrender Theologe hat er Raum gegeben in den Katechesen bei den Audienzen oder auf seinen Reisen. Zu nennen ist das dreibändige Werk: „Jesus von Nazareth“, das weltweit Anerkennung gefunden hat.

Schließlich sind die 24 apostolische Reisen zu nennen. Es kam ihm zugute, dass er über eine große Sprachenkenntnis verfügt, wie italienisch, französisch, englisch, spanisch und auch polnisch, ebenso die Kenntnis der alten Sprachen hebräisch, griechisch und lateinisch. Dreimal besuchte er Deutschland, u. a. zum Weltjugendtag kurz nach seiner Wahl, bei dem er als der „Deutsche Papst“ gefeiert wurde, und zum ökumenischen Treffen in Erfurt. Es folgte 2011 ein Staatsbesuch, bei dem er eine vielbeachtete Rede im Deutschen Bundestag hielt. Ein Gedankengang bei einer Vorlesung in Regensburg, seiner alten Wirkungsstätte, löste einen Eklat aus, weil er ein Zitat brachte, in dem vom Hang zur Gewalt durch den Islam die Rede war. Ein Aufruhr der islamischen Welt konnte mühsam wieder aufgefangen werden, als wichtige Vertreter des Islam in Rom waren und eine gemeinsame Erklärung mit dem Papst veröffentlichten. Es folgten Besuche in Polen, bei dem er auch Auschwitz aufsuchte, in Irland, England, USA, Spanien, der Libanon und Israel, wie in Lateinamerika.

Nach acht Jahren im Amt war er erschöpft und entschloss sich völlig überraschend, am 11. Februar 2013 zurückzutreten. Bei seiner Rücktrittserklärung in lateinischer Sprache sagte er, dass er gewillt sei auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, […] zu verzichten“. Er sei „zur Gewissheit gelangt“, dass seine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet seien, „um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“. Ein solcher Rücktritt war seit 500 Jahren nicht mehr vorgekommen. Nachträglich kann man sagen, dass er damit auch zu einer Entsakralisierung des Amtes beitrug.

Er lebte seitdem zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae in den vatikanischen Gärten, wo er auch Besucher empfing, wie z. B. seinen Schülerkreis.

Nun hat er sein Leben als eine große Persönlichkeit in die Hand Gottes zurückgegeben. Der Rückblick löst ein Gefühl der Bewunderung und des Respekts aus. Es ist berechtigt, ihm für seine Lebensleistung auch zu danken.

Wolfgang Acht, Pfr. i. R.